Aufführende Künste

Das Kabuki, die zur Landesöffnung Mitte des 19. Jahrhunderts dominante und bis heute beliebteste Form des japanischen Theaters, ist als Ausdruck einer visuellen Kultur und als Medium der Massenunterhaltung zu bezeichnen. Als zentrale Forschungsgebiete sind hier zu nennen:

  • Die Untersuchung von intermedialen Aspekten, welche die populäre Erzählprosa hinsichtlich der Übernahme von Stoffen, Darstellungskonventionen (Text und Bild) oder der Herausbildung neuer Genres ebenso betrifft wie etwa die Kunst in Form der Farbholzschnitte (ukiyoe). Auch das Alltagsleben verdient hier, z. B. wegen des Starkultes um Schauspieler oder des Setzens von Modetrends, besondere Beachtung.
  • Die Beschäftigung mit der in allen traditionellen Künsten üblichen Form der Vermittlung von Insiderwissen (Spielstile, festgelegte Aktionsmuster etc.) von der Lehrer- an die Schüler-Generation, für die das Kabuki als paradigmatisch erachtet werden kann.
  • Nicht zuletzt sind Einblicke in die Strategien kommerzieller Vermarktung im Japan des 18. und 19. Jahrhunderts (Theater-Management, Fan-Tourismus, Auftragswerke, verschiedenste Druckerzeugnisse zu Werbezwecken oder vormodernes Merchandising) zu gewinnen oder ist auch der Umgang mit der allgegenwärtigen Zensur zu betrachten.
Innenansicht eines Kabuki-Theaters (Kawarazaki-za, Edo?)
von Torii Kiyotada, ca. 1742

Als Gesamtkunstwerk, das im Gegensatz zum europäischen Sprechtheater auch Musik und Tanz mit einbezieht und auf Interaktion mit dem Publikum setzt (vgl. etwa die spezifische Gestaltung der Bühne), hat das Kabuki – wie das Theater in Asien im allgemeinen – westliche Theatermacher inspiriert. Der Re-Import dieser neuen westlichen Theatertheorien nach Japan (Asien) führte dort – nach einer Phase der fast ausschließlichen Orientierung am westlichen Sprechtheater – zu einer Rückbesinnung auf traditionelle Formen bzw. zu einer Collage verschiedener Konzeptionen. Forschungsschwerpunkte sind hierbei:

  • Die japanische Theater-Avantgarde der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, die auch weltweit Anerkennung fand. Stellvertretend sei das experimentelle Werk des vielseitig begabten Terayama Shūji (1935–83) genannt, der den Bühnenraum sukzessive erweiterte und die Trennung von Zuschauer und Schauspieler (Subjekt und Objekt) aufhob.
  • Die Beschäftigung mit dem 1914 gegründeten Takarazuka-Revuetheater, das über eine weitgehend weibliche Fangemeinde verfügt und alle Rollen mit weiblichen Stars besetzt. Da im Kabuki traditionell nur Männer auftreten, sind komparatistische Untersuchungen zu den jeweils zugrundeliegenden Konzepten „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit” von besonderem Interesse. Außerdem ermöglicht die Miteinbeziehung des soziokulturellen Kontextes der Taishō- und Shōwa-Periode neue Einblicke in den Syntheseprozeß von traditionell japanischem Liedgut (z. B. yanrebushi, min’yō) und westlichen Musikeinflüssen zu verschiedenen Formen der modernen japanischen Musik, insbesondere des japanischen Schlagers (enka).